Fokus
Das Jahr der Masken
Spätestens als am 29. Februar der erste Bieler COVID-19-Fall bestätigt wurde, war klar, dass die Pandemie auch Auswirkungen auf unsere Stadt und damit auf die Verkehrsbetriebe haben würde. Dort hatte man zu diesem Zeitpunkt aber bereits Vorkehrungen getroffen.
Schnelle Reaktion
Als nämlich die Situation in Italien eskalierte, reagierte man in der Leitung der VB. Ein für den 28. Februar geplantes Meeting des Verwaltungsrats wurde zur Krisensitzung umfunktioniert. Per Zufall war das auch der Tag, an dem die Fasnacht abgesagt wurde, ein Event, bei dem die so genannte Basisumleitung gefahren wird. In Absprache mit der Stadt wurde eine halbe Stunde vor Beginn entschieden, doch die normalen Strecken zu fahren. Teilweise haben dadurch zwar die Anzeigen an den Haltestellen nicht gestimmt, aber der Entscheid war offensichtlich richtig und der Betrieb konnte seine Agilität unter Beweis stellen!
In der Folge wurden in regelmässig jeden Montag stattfindenden GL-Sitzungen Massnahmen diskutiert und umgesetzt. Ein Corona-Chat wurde eingerichtet, die Vernetzung etwa mit BERNMOBIL, wo bereits ein Krisenstab eingerichtet worden war, wurde sichergestellt.
Der Leiter Technik hatte schon zwei Jahre zuvor Spender für Desinfektionsmittel aufstellen lassen – dies mit dem Gedanken an Grippewellen. Nun konnten sie sofort genutzt werden. Weiteres Desinfektionsmittel wurde angeschafft und auch die Busse umgehend damit ausgestattet. Zudem wurden Plakate aufgehängt, die Anweisungen enthielten, wie man richtig Hände wäscht. Auch wurde etwas Druck aufgesetzt, damit auf klassische Begrüssungen verzichtet wurde.
Der Schutz des Fahrpersonals stand von Beginn weg im Zentrum. So traf man – notabene auf Vorschlag eines Chauffeurs – Vorbereitungen, um die vorderste Tür der Fahrzeuge geschlossen zu halten und den vordersten Sitz zu sperren. Als dann genau diese Massnahme von den VBZ und PostAuto angekündigt wurde, konnten die VB sie am 10. März als erste umsetzen.
Lockdown!
Am 13. März wurden die Schulen geschlossen, am 16. folgte der Lockdown, beziehungsweise die Einstufung der Situation als «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiegesetz. Das bedeutete für die Verkehrsbetriebe Biel eine ganze Reihe von Massnahmen:
- Zweimal pro Woche nahm der Leiter Betrieb zwecks Koordination der Massnahmen an einer Telefonkonferenz der ÖV-Unternehmen teil.
- Gefährdete Personen wurden wo möglich ins Home-Office gesetzt. Allerdings war das im Betrieb natürlich bei weitem nicht immer möglich. Eine Busfahrerin kann ihre Arbeit natürlich nicht von zu Hause aus erledigen. Die betroffenen 25 Personen – also immerhin fast 10% der Belegschaft – mussten schlicht und einfach zu Hause bleiben. Aber das hat sich gelohnt, denn es gab kaum Infektionen und vor allem keine ernsthaften Verläufe.
- Grosse Mengen Desinfektionsmittel wurde besorgt – wenn auch teilweise zu als «frech» eingestuften Preisen.
- Die Tische in der Cafeteria wurden auseinandergenommen und Abstandsregeln gepredigt, insbesondere auch für den Fall, dass es sich nicht vermeiden liess, dass zwei sich gleichzeitig in einem Büro aufhielten. Für Arbeiten, bei denen der Abstand nicht eingehalten werden konnte, wurde Schutzmaterial (Masken, Handschuhe etc.) zur Verfügung gestellt
- Die GL zog die Einführung des Ferien- oder des Sonntagsfahrplans in Erwägung, schlussendlich wurde aber beschlossen, einen ganz eigenen Fahrplan einzuführen. Dieser ausgedünnte Fahrplan (z.B. mit 1/2-Stunden-Takt auf Buslinien) bedeutete eine Reduktion des Angebots um über 30 Prozent.
- Nachdem zunächst befürchtet worden war, dass wegen Ansteckungen mit Personalmangel zu rechnen sei, mussten Fahrerinnen und Fahrer im Gegenteil wegen des ausgedünnten Fahrplans Überstunden abbauen. Die rechtliche Vorgabe besagt, dass der Angestellte in einem derartigen Fall gefragt werden muss, aber auch, dass erwartet wird, dass er «in guten Treuen» einwilligt. Das führte zu längeren Diskussionen mit den Sozialpartnern.
- Für Verwirrung sorgte die Tatsache, dass sich das Bundesamt für Verkehr und das Seco beim Thema Kurzarbeit für ÖV-Betriebe widersprochen haben. Die Verkehrsbetriebe haben auf eine Anmeldung vorerst verzichtet. Dass der Entscheid, sich die entsprechenden Formalitäten zu sparen, richtig war, zeigte sich daran, dass in der Folge ausnahmslos alle Anträge von Busbetrieben abgelehnt worden sind.
- Weil zu viele Freizeit-Biker unterwegs waren, musste bei den Seilbahnen zwischenzeitlich der Velotransport verboten werden.
- Die Reinigung der Seilbahnen und Busse wurde intensiviert. Namentlich die Haltestangen und die Halteknöpfe wurden mindestens einmal am Tag «antiviral» gereinigt.
- Bei der Organisation CareLink konnte zu einem ausserordentlich fairen Preis eine Hotline installiert werden, auf der sich besorgte Mitarbeitende anonym zu gesundheitlichen oder auch Quarantäne-Fragen informieren und eine erste, von Fachleuten besetzte Anlaufstelle in Anspruch nehmen konnten.
- Sämtliche Events, die ansonsten mit Herzblut angegangen werden (Kindertag, Altstadtfest, FFFH), mussten abgesagt werden, wodurch natürlich auch Kundennähe verloren gegangen ist. Auch Kaderanlässe und -weiterbildungen wurden gestrichen.
- Frühzeitig wurden erste Sparmassnahmen in der Kommunikation getroffen, so wurde die Kampagne zur Lancierung des Claims «Und los gehts» vertagt und auch eine bereits fortgeschrittene Imagebroschüre wurde nicht gedruckt.
- Den Sparmassnahmen in der externen Kommunikation stand ein vermehrter interner Kommunikationsbedarf gegenüber, wobei sich das neu aufgegleiste Intranet ganz besonders bewährte. Aber auch in der Mitarbeiterzeitschrift «Connect» wurde beispielsweise über die Quarantäneregelungen informiert.
«Unsere Leute haben in kürzester Zeit einen top Job abgeliefert. Es galt ja nicht nur, den Fahrplan selbst auszudünnen, sondern es musste ein komplett neuer Dienstplan erstellt und sämtliche Dienste neu disponiert werden.»
Bernd Leckebusch, Leiter Markt & Planung
Lockerer Sommer und Herbst
Mit der Wiedereröffnung der Schulen am 11. Mai endete die mit Abstand anspruchsvollste Situation, welche die Verkehrsbetriebe, unsere Stadt und unser Land in den letzten 75 Jahren erlebt hat. Rückblickend auf diese erste Phase der Epidemie wurde geschätzt, dass der Rückgang der Fahrgäste um rund 75% einen Umsatzeinbruch von mehr als 50% bewirkt hatte. Dies deshalb, weil sich viele Abonnementsinhaber solidarisch gezeigt und ihr Abo nicht zurückgeben hatten, obwohl sie viel weniger fuhren.
Von praktisch allen Seiten wurde konstatiert, dass die Verkehrsbetriebe rechtzeitig die richtigen Massnahmen getroffen haben. Die Geschäftsleitung hat sich sehr reaktiv gezeigt und gut kommuniziert, via iPad ebenso, wie mit den aufgehängten Plakaten.
Bezüglich Infektionen hatten die VB bis zu diesem Zeitpunkt viel Glück gehabt. Bis im Sommer war nämlich nur ein Fall bekannt und der betreffende Mitarbeiter hatte schon vor dem Ausbruch der Krise nicht mehr gearbeitet. Die getroffenen Massnahmen dürften also gegriffen haben.
Im Sommer schien sich fast so etwas wie Normalität einzustellen. Passagierzahlen stiegen wieder, wenn auch nicht auf «normales» Niveau, und der Verkehr nahm allgemein wieder zu.
In dieser Phase war es wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass die Gefahr nicht gebannt sei. Hier zeigte sich auch eine Herausforderung, als sich immer wieder Passagiere über andere Fahrgäste beklagten, die keine Masken trugen. Eine Polizeifunktion kann von den VB aber nicht erwartet werden; ausserdem hat sie eine Transportpflicht. Andererseits zeigte eine von der Mitarbeiterzeitschrift «Connect» durchgeführte Umfrage das Bild einer recht erfreulichen Disziplin, was das Maskentragen anbelangte.
«Zum Fahren wars in der Lockdown-Phase viel angenehmer. Es hatte ja nicht nur weniger Passagiere, sondern auch viel weniger Verkehr. Ich denke, wir waren noch nie so pünktlich!»
Alejandro Gato, Chauffeur
«Dass wir zwar äusserlich Distanz wahren müssen, aber uns dafür gegenseitig moralisch unterstützen, dass viele Gespräche anteilnehmend verlaufen und eine hohe zwischenmenschliche Qualität aufweisen, das müssen wir mitnehmen!»
Barbara Schenker, HR
Die zweite welle
Mit überraschender Wucht wurde das Land dann durch die von praktisch allen Fachleuten prognostizierte zweite Welle in Mitleidenschaft gezogen. Und diesmal waren auch die Verkehrsbetriebe betroffen. Mitte November gab es im Betrieb fast täglich neue Fälle von Angesteckten oder Personen, die in Quarantäne mussten. Da gleichzeitig der grosse Fahrplanwechsel näher rückte – ein Moment, bei dem möglichst alle Kräfte verfügbar sein sollten – sah es für einen Moment recht brenzlig aus.
Auf der anderen Seite war man diesmal noch besser vorberietet. Abstand halten und Masken tragen waren bereits zur zweiten Natur geworden, Home-Office und Videocalls haben den Charakter von Selbstverständlichkeiten erlangt. Zu jedem Zeitpunkt wären reduzierte Fahr- und Dienstpläne vorhanden gewesen. Dass nichts davon bis Ende Jahr zum Einsatz gekommen ist, weist darauf hin, dass die getroffenen Massnahmen wirkungsvoll gewesen sind. Unter dem Strich gab es im Betrieb nur wenige Infektionen und praktisch keine, bei denen sich jemand nachweislich auf der Arbeit angesteckt hätte.
Die Fahrgastzahlen allerdings sanken zwischen Oktober und Dezember noch einmal drastisch, auch wenn sich das bei den Verkaufszahlen nicht ganz so deutlich zeigte. Erneut erwiesen sich Inhaberinnen und Inhaber von Abos als treue Seelen.